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DIE VERKÜNDER DER MITTLERIN
Pius XII. weist gerade auf Grignion von Montfort als den Künder der
Mittlerschaft Mariens hin: Darum einige wörtliche Ausführungen dieses
Heiligen, soweit sie sich in seinen Schriften finden:
«Sagen wir also kühn mit dem heiligen Bernhard, dass wir beim
Mittler selbst einen Mittler notwendig haben und dass Maria am geeignetsten ist,
dieses Amt der Liebe auszuüben. Durch sie ist Jesus Christus zu uns gekommen,
und durch sie müssen wir zu ihm gehen. Wenn wir fürchten, unmittelbar vor
Jesus Christus, der Gott ist, hinzutreten, sei es aus Scheu vor seiner
unendlichen Größe oder wegen unserer Niedrigkeit oder wegen unserer Sünden,
lasst uns kühn die Hilfe und Fürbitte unserer Mutter Maria anrufen: Sie ist
gut und zärtlich, nichts Strenges, nichts Furchtbares ist an ihr, nichts zu
Erhabenes und Blendendes. Wenn wir sie sehen, sehen wir nichts als bloß unsere
Natur. Sie ist nicht die Sonne, die mit ihrer Licht- und Strahlenfülle uns
Schwache blenden könnte. Sie ist vielmehr schön und sanft wie der Mond, der
sein Licht von der Sonne empfängt und es mildert; um es unserer Schwachheit
anzupassen. Sie ist so liebreich, dass sie niemand von denen abweist, die ihre Fürbitte
anflehen, mögen sie auch noch so große Sünder sein. Denn, so sagen die
Heiligen, noch niemals, seitdem die Welt besteht, ist es erhört worden, dass
jemand mit Vertrauen und Beharrlichkeit seine Zuflucht zu Maria genommen habe
und von ihr verlassen worden sei. Sie ist so mächtig, dass ihr niemals eine
Bitte abgeschlagen wurde. Sie braucht nur bittend vor ihrem Sohne zu erscheinen,
und alsogleich gewährt er die Bitte, alsogleich findet sie Aufnahme. Immer wird
Jesus aus Liebe besiegt durch die Bitten seiner geliebtesten Mutter.»
(Vollkommene Andacht zu Maria, 2. Buch, 4. Kapitel.)
«Maria allein hat Gnade gefunden bei Gott sowohl für sich selbst als für
jeden Menschen im besonderen. Die Patriarchen und Propheten, ja, alle Heiligen
des Alten Bundes haben die Gnade nicht finden können. Maria ist es, die dem
Urheber der Gnade Sein und Leben gab, und darum heißt sie die Mutter der Gnade.
Gott, der Vater, von dem alle vollkommene Gabe und jede Gnade als aus
ihrer wesenhaften Quelle hervorkommt, hat ihr alle seine Gnaden übergeben,
indem er ihr seinen Sohn schenkte, so, dass ihr, wie der heilige Bernhard sagt,
der Wille Gottes übergeben wurde in und mit dem Sohne Gottes. Gott hat sie zur
Schatzmeisterin, Verwalterin und Ausspenderin aller seiner Gnaden erwählt, so,
dass alle seine Gnaden und Gaben durch ihre Hände gehen. Und der heilige
Bernhardin lehrt, dass Maria gemäß der ihr von Gott verliehenen Gewalt die
Gnaden des ewigen Vaters, die Verdienste Jesu Christi und die Gaben des Heiligen
Geistes ausspendet, wenn sie will, wie sie will, wann sie will und soviel sie
will.
Wie in der Ordnung der Natur das Kind einen Vater und eine Mutter haben
muss, so muss auch in der Ordnung der Gnade ein wahres Kind der Kirche Gott zum
Vater und Maria zur Mutter haben. Wenn einer sich rühmt, Gott zum Vater zu
haben, und er hegt nicht Maria gegenüber die Zärtlichkeit eines wahren Kindes,
so ist er ein Betrüger und hat nur Satan zum Vater.
Da in Maria das Haupt der Vorherbestimmung, nämlich Jesus Christus,
gebildet wurde, so ist es auch an ihr, die Glieder dieses Hauptes, nämlich die
wahren Christen, zu bilden. Denn eine Mutter bildet niemals das Haupt ohne die
Glieder, noch die Glieder ohne das Haupt. Wer also ein Glied Jesu Christi sein
will, der da ist voll der Gnade und Wahrheit, der muss in Maria gebildet werden
vermittelst der Gnade Jesu Christi, die in Fülle in Maria wohnt, um den wahren
Gliedern Jesu Christi und wahren Kindern Mariens mitgeteilt zu werden.
Der Heilige Geist hat sich mit Maria vermählt und hat in ihr und durch
sie und aus ihr das große Meisterwerk, Jesus Christus, das menschgewordene
Wort, hervorgebracht. Da er seine Braut niemals verstoßen hat, fährt er fort,
täglich in ihr und durch sie auf geheimnisvolle, aber wirkliche Weise die
Vorbestimmten hervorzubringen.
Maria wird vom heiligen Augustin die lebendige Form Gottes
genannt, und sie ist es in der Tat. Das will heißen, dass in ihr allein Gott
als Mensch naturgetreu gebildet worden ist. Darum kann auch in ihr allein der
Mensch durch die Gnade Jesu Christi naturgetreu in Gott umgestaltet werden,
soweit die menschliche Natur dessen fähig ist. Ein Bildhauer kann eine Figur
oder Statue auf zwei Arten naturgetreu herstellen, erstens, indem er seinen Fleiß,
seine Kraft und Fachkenntnis aufwendet und gute Werkzeuge gebraucht, um die
Statue aus einem harten und ungestalten Material zu verfertigen. Er kann sie
zweitens gießen. Die erste Art ist lang und beschwerlich und vielen Zufälligkeiten
und Gefahren unterworfen. Es braucht manchmal nur einen ungeschickten Meißel-
oder Hammerschlag, um das ganze Werk zu verderben. Die zweite Art ist rasch,
leicht und angenehm, fast mühe- und kostenlos, vorausgesetzt, dass die Form
vollkommen und naturgetreu sei, vorausgesetzt auch, dass der Stoff, dessen sich
der Künstler bedient, recht gefügig und bildsam ist und seiner Hand keinerlei
Widerstand entgegensetzt. Maria ist die große Form Gottes, die der Heilige
Geist gebildet hat, damit in ihr durch die hypostatische (persönliche)
Vereinigung Gott Mensch und durch die Gnade der Mensch Gott werde. Auch nicht
einen Zug der Gottheit vermisst man an dieser göttlichen Form. Wer in dieselbe
gegossen wird und sich auch darin gefügig bearbeiten lässt, der bekommt alle Züge
Jesu Christi, des wahren Gottes. Er bekommt sie auf sanfte, der menschlichen
Schwachheit angepasste Weise, ohne einen schweren Todeskampf und große Mühen
— auf sichere Weise, ohne Furcht vor Täuschung, denn Satan hat in Maria, der
Heiligen und Unbefleckten, die frei ist von jedem Schatten auch nur der
geringsten Sündenmakel, niemals Zutritt gehabt und wird zu ihr niemals Zutritt
haben.» (Geheimnis Mariens, 2. Kapitel.)
«Die Andacht zu Maria ist ein leichter Weg, den Jesus Christus
selbst gebahnt hat, als er zu uns kam, und auf dem sich kein Hindernis befindet,
zu ihm zu gelangen. Die Andacht zu Maria ist ein kurzer Weg, um Jesus Christus
zu finden, weil man darauf nicht irre geht und weil man mit größerer Freude
und Leichtigkeit und folglich mit größerer Geschwindigkeit darauf wandelt. Die
Andacht zu Maria ist ein vollkommener Weg, um zu Jesus Christus zu gelangen und
sich mit ihm zu vereinigen, weil Maria das vollkommenste und heiligste aller bloßen
Geschöpfe ist und weil Jesus Christus, der auf vollkommene Weise zu uns kam, für
seine große und wunderbare Reise keinen anderen Weg einschlug.» (Die
vollkommene Andacht zu Maria, 5. Buch, 5. Kapitel.)
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