Schwester M. Consolatrix vom Guten Hirten
erinnert sich
Interview aufgezeichnet am
03.02.1998
Frage: Wann und wo haben
Sie Onkel Hubert kennen gelernt?
Sr. Consolatrix: Es war
nach der Evakuierung, genau weiß ich es nicht mehr. Meine Mutter und „Tante
Billa“, die Schwester von Onkel Hubert waren Freundinnen, und so besuchte ich
mit meiner Mutter häufig sein Elternhaus und lernte dort seine Mutter, eine tief
gläubige Frau, die noch beim Kartoffelschälen den Rosenkranz betete, und auch
ihn kennen, wenn er von seinen Studien zu Hause war.
Meine Mutter hat mir oft
erzählt, dass sie ihn auf ihren Wegen in der Straße mit seinen Büchern begegnet
ist. Als ich meine Schulzeit beendet hatte, wollte ich eigentlich Näherin oder
Krankenschwester werden, so ging ich zunächst in das St. Annastift in Hoengen in
ein Praktikum zur Krankenschwesternausbildung. Hier waren auch eine Reihe von
Kriegsgeschädigten untergebracht, die ich mit pflegen musste. Doch nach dem
Praktikum stellte ich fest, dass der Beruf einer Krankenschwester für mich nicht
der richtige ist. Meine Mutter besprach dies mit ihrer Freundin und diese das
Problem mit Onkel Hubert, der in der Zeit seines Studiums in Bonn und später in
Köln als geistlicher Leiter und Religionslehrer in der Haushaltungsschule in
Pützchen seinen Dienst versah. Daraufhin wurde ich in Pützchen in die
Haushaltungsschule aufgenommen. Bei „Onkel Hubert“, wie ich ihn bald nur noch
nannte, hatte ich Religionsunterricht und er war auch mein Beichtvater, und wir
Schülerinnen haben viel mit ihm unternommen. In Pützchen gab es eine
besondere Regelung in der Schule, die von Onkel Hubert initiiert worden
war. Da viele Menschen seine Hilfe benötigten und er des öfteren Sühnenächte
abhielt, wurden wir Schülerinnen angehalten, in der Nacht vor einer solchen
Sühneandacht immer für ihn und seine Anliegen zu beten. Er stand auf dem
Standpunkt, dass wenn er anderen helfen sollte, dies nur durch unser Gebet
möglich sei. Die Aufforderung beim Gebet dabei zu sein, kam jedoch nicht von ihm
sondern von einer unserer Erzieherinnen und ich bin mir nicht sicher, ob er
überhaupt davon wusste, wer jeweils an der Reihe bzw. ausgewählt worden war.
Einmal kam er spät abends zurück und ging in die Kapelle. Dort beteten wir
gerade und er sagte zu uns: „Ihr seid einen Tag zu früh, morgen erst ist die
Sühnenacht“. Weiter sagte er nichts.
Wie gesagt, er war auch
mein Beichtvater und einmal sagte er nach der Beichte zu mir: „Da ist eine
Schwester, die sehr für dich betet.“ Und ich fragte ihn, was ich denn
'ausgefressen' habe. Er sagte: „Nichts, sie betet in einem besonderen Anliegen.“
Auf meine Nachfrage, welches Anliegen es denn sei, entgegnete er etwa sinngemäß:
„Wie ist es denn mit dir, willst du nicht Ordensschwester werden?“ Ich erinnere
mich noch heute an meine Antwort: „Lieber will ich 15 Kinder bekommen als
Ordensschwester werden.“
Nach dieser Beichte bin
ich lange nicht mehr zur Beichte bei Onkel Hubert gegangen. Nach einiger Zeit
ließ er mich zu sich kommen und fragte mich, ob ich ihm nichts zu sagen habe.
Ich erklärte ihm nochmals, dass ich nicht daran denke, Nonne zu werden. Er ließ
mir daraufhin meine Ruhe und kam nicht mehr auf dieses Gespräch zurück.
Wenig später sollte der
Karmel in Pützchen wieder seiner ursprünglichen Aufgabe nachgehen und die
Schwestern vom Guten Hirten wurden nach Köln, ein Teil auch nach Trier
verlagert. Dort sollten sie wieder der Betreuung schwer erziehbarer Mädchen
nachgehen. Unsere Grundausbildung wurde daraufhin verkürzt. Dabei hatte ich
erfahren, dass die Trierer Schwestern vorhatten, eine Haushaltungsschule mit
Schneiderinnenausbildung bis zur Gesellenprüfung einzurichten. In einem
vertraulichen Gespräch, von dem meine Mutter nichts wusste, fragte ich
Onkel Hubert, ob er nicht in Trier Erkundigungen einholen und ich nicht in Trier
eine Ausbildung zur Schneiderin beginnen könne. Er tat dies, und bei einem
seiner nachfolgenden Besuche in seinem Elternhaus teilte er mir mit, dass ich
dort gerne aufgenommen würde, ich müsse mich jedoch selbst dort bewerben. Ich
tat dies, wurde aufgenommen und absolvierte dann dort mit Erfolg eine Ausbildung
als Schneiderin und Hauswirtschafterin.
Frage: Wie war das denn
mit Hannelore und Anneliese (beide sind Töchter des Bruders Josef von Onkel
Hubert, Anmerkung d. Verf.)?
Sr. Consolatrix: Beide
waren nach Trier in die Haushaltungsschule gekommen und sie sollten auch hier
getauft werden, denn sie waren ja evangelisch. Als die Taufe anstand, konnte
eine der Taufpatinnen nicht erscheinen. Onkel Hubert, der natürlich die Taufe
vornehmen sollte, kam zu mir und sagte: „ Kläre, du wirst stellvertretend für
Oma Pehl (seine Mutter, Anm. d. Verf.) Taufpatin. Und so wurde ich Taufpatin
seiner Nichte, die auch hier in Trier die erste hl. Kommunion empfing. Zur
feierlichen Kinderkommunion in der Heimat erhielt ich dann Urlaub und durfte im
Elternhaus von Onkel Hubert übernachten. Doch wurde ich nachts von seiner Mutter
eingeschlossen, denn der noch ledige jüngere Bruder Alois wohnte noch im Hause.
Frage: Wie war es denn mit
Ihrem Eintritt in den Orden, hat Onkel Hubert davon gewusst?
Sr. Consolatrix: In Trier
wurde mir eigentlich klar, dass ich ins Kloster gehen werde, und nach der
Ausbildung trat ich in Koblenz in den Orden des Guten Hirten ein. Onkel Hubert
hatte ich davon informiert, er war ja häufig zu der Zeit in Trier und hat mich
während dieser Zeit dort immer begleitet.
Frage: Wie sind Sie zu dem
Namen Consolatrix gekommen. Sie haben mir einmal erzählt, dass Onkel Hubert
dabei seine Hand im Spiel gehabt habe!
Sr. Consolatrix: Dazu muss
ich etwas weiter ausholen. Mein Vater war Bergmann und vor meiner Geburt hatte
er bereits Steinstaub und sich dazu eine Rippenfellentzündung zugezogen. Als
dies schlimmer wurde, pilgerten meine Eltern nach Kevelaer und versprachen dort
der Gottesmutter, dass, für den Fall, dass mein Vater gesund würde und meine
Eltern noch ein Kind bekommen würden, sie dies der
Muttergottes weihen wollten.
Mein Vater wurde geheilt
und danach wurde ich geboren. Diese Geschichte habe ich erst viel später
erfahren, sie ist aber der Hintergrund für meine Namensgebung. Onkel Hubert
kannte jedoch diese Hintergründe. Als ich dann mein ewiges Gelübde ablegen
sollte, musste mir ein Name verliehen werden. So rief mich einige Zeit vor der
Feier die Oberin zu sich und teilte mir mit, dass man sich für den Namen 'Maria
Dolorosa' entschieden habe. Ich entgegnete daraufhin, dass ich mich
für diesen Namen ungeeignet fühle, auch sei ich noch zu jung für einen solchen
Namen. Doch die Schwester sagte nur, wir haben so entschieden. Wenige Tage vor
der Einkleidung rief mich die Oberin erneut zu sich und sagte mir, wir haben uns
für den Namen 'Maria Consolatrix' entschieden. Die Oberin wusste durch Onkel
Hubert von dem Versprechen meiner Eltern und gaben mir den Namen Consolatrix in
Anlehnung an die Mutter Gottes in Kevelaer, die ja Consolatrix Afflictorum
heißt. Von Koblenz aus kam ich dann später nach Köln und von dort ging ich 1984
nach Plein. In Köln besuchte mich Onkel Hubert immer regelmäßig, in Plein habe
ich ihn öfters angerufen, doch er war nie dort und hat mich auch bis vierzehn
Tage vor seinem Tode nie angerufen, obwohl er oft in Trier war. Vierzehn Tage
vor seinem Tode wurde ich ans Telefon gerufen und Onkel Hubert war dran. Er
fragte, wie es mir gehe und wünschte mir weiterhin alles Gute. Im Nachhinein
kommt es mir so vor, als wollte er sich von mir persönlich noch einmal
verabschieden. Bei seiner Beerdigung habe ich dann erfahren, dass er eine Reihe
von Familienangehörigen in den letzten Tagen vor seinem Tode noch angerufen hat.
Zusammenfassend kann ich
sagen, dass er mir in all den Jahren ein fürsorglicher Begleiter war, der mir
viel gegeben und der mir in meinen Nöten immer hilfreich zur Seite gestanden
hat.
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