Frau Käthe Klinke,
langjährige Dolmetscherin auf vielen Fahrten,
erinnert sich
Viele Jahre und mit großer
Dankbarkeit durften wir als Pilgergruppe - bei den Fahrten nach Rom, Fatima,
Lisieux und ins Heilige Land - die prägende Kraft dieses tief frommen,
überzeugten Priesters, Pater Hubert Pauels, erfahren.
Sein ganzes Leben in Wort
und Tat war Güte und verzeihende Barmherzigkeit, und er belebte alles durch sein
leuchtendes Beispiel. Gerade dies war es, was auf seine Zuhörer ausstrahlend
wirkte und vielfach nach den Fahrten zu einer fruchtbringenden Besinnung wurde.
In entscheidenden Fragen,
sei es im privaten Bereich oder auch, wenn es um religiöse Orientierung oder
lehramtliche Aussagen ging, immer wandte ich mich an ihn, und seine kurzen,
klaren Weisungen rückten vieles zurecht und gaben oft wieder neuen Mut und
Zuversicht. Jede Begegnung mit ihm war von verständnisvoller, väterlicher
Zuneigung.
Nur selten erlaubte es die
Zeit, einmal in ein längeres, privates Gespräch mit ihm zu kommen. Da er von
sich aus kaum über seine Person oder Familie sprach - wohl aus zurückhaltender,
bescheidener Haltung - ergab sich eines abends auf unserer Fatimafahrt nach dem
Essen die Gelegenheit. Es war in Salamanca in unserem Übernachtungsquartier. Ich
saß neben ihm am Tisch und fragte nach seiner Mutter und seinem bei einem
Grubenunglück früh verstorbenen Vater. Nun, einmal darauf angesprochen, erzählte
er gern und lebhaft, wie Vater und Mutter sich kennen gelernt hatten. Seine
Mutter kam aus dem Siegerland und war als junges Mädchen in Bonn beschäftigt,
und der Vater war in Bonn beim Militär. Dort lernten sich die beiden kennen. Er,
Pater Pauels, hat später die Stelle aufgesucht, wo sich seine Eltern damals für
ihr ganzes Leben fest versprochen hatten - so wie es ihm seine Mutter wohl
später erzählt hatte.
Nach dem plötzlichen Tode
seines Vaters brach für die Mutter eine schwere Zeit an. Gerade hatten die
Eltern mit dem Bau eines Eigenheimes begonnen, als die Mutter mit ihren drei
kleinen Kindern Witwe wurde und nun ohne Einkommen dastand. Sie heiratete ein
zweites Mal. Auf meine Frage, ob der zweite Vater gut zu den Kindern aus erster
Ehe war, sagte er spontan und fest: „Ja, er war gerecht und gut zu uns.
Seine Eltern, so erzählte
er weiter, machten sich in seiner frühen Kindheit große Sorgen, da er erst mit
drei Jahren sprechen konnte, „aber das habe ich inzwischen nachgeholt,“ so
berichtete er lächelnd.
Als ich einmal in
Gewissenskonflikte geriet und ihn fragte, ob es wohl richtig sei, wenn ich meine
Freizeit für Pilgerfahrten und nächtliche Sühneanbetung verbrächte und dadurch
Gesundheit und den Familienfrieden gefährde, gab er mir die feste und
vertrauensvolle Antwort: „Gehen sie ihren Weg weiter und danken sie der
Gottesmutter für ihre Führung!“
Immer ging ich nach einem
Gespräch oder nach der Beichte bei ihm froh und gestärkt nach Hause.
Seine Priesteridentität
war von einer überzeugenden, glaubwürdigen und geistlichen Tiefe. In die
geheimnisvolle Welt der katholischen Kirche berufen zu sein, machte ihn
glücklich, das spürte man bei ihm; es sprach aus jedem Satz Gelassenheit und
Überzeugung.
Wenn er von den äußerst
schwierigen Zeiten des Nationalsozialismus und den gefährlichen Kriegsjahren
erzählte, hörten wir fasziniert zu, z. B. wie die Kameraden seiner Kompanie
durch ihn gestärkt - mit ihm den Weg des Glaubens gingen und dadurch ihr Blick
nicht verengt, sondern geweitet wurde und sie zu einer Gemeinschaft
zusammenwuchsen, die trägt.
Als seine Mutter erfuhr,
dass er Kritik am Naziregime gewagt hatte, schrieb sie ihm sehr besorgt.
Einmal wurde er zu einem
Verhör beordert. Man warf ihm vor, er habe an statt „Heil Hitler“ „drei Liter“
gerufen, was aber nicht stimmte. Es war nicht das einzige Verhör, das er über
sich ergehen lassen musste, denn die SS beobachtete ihn scharf. Die Nazis - so
berichtete er - versuchten mit allen Mitteln und Tricks, die Priester zu Fall zu
bringen. Sie bewunderten den Starkmut der Priester und sagten offen:
„Solch ein starkes
Geschlecht braucht das Reich als Familienväter.“ Die Nazis gingen soweit, dass
man es mit Frauen versuchte, und bei solch einer Situation antwortete Pater
Pauels: „Hier sind sie an der falschen Adresse!“
Auf seine Direktorenzeit
im Overbacher Gymnasium angesprochen, berichtete Pater Pauels: „In einer
Abiturprüfung, als die Sache in einen Engpaß geraten war, hatte ich so meine
Gewohnheit, dass ich den Exorzismus betete, einerseits für die Lehrer, dass sie
nicht irgendwie einen durchfallen lassen würden, das war das erste; dann betete
ich ebenfalls für den Prüfling, dass er nicht mutlos werde und dass er innerlich
Licht bekommen sollte; und wenn die Sache dann heikel wurde, packte ich mich
einen Augenblick auf und ging in die Küche und zog Alarm bei den Schwestern. -
Gut, auf einmal kam der Prüfling gegen alle Erwartungen glatt durch. Später
sagte mir die Lehrkraft: „Plötzlich sahen wir, dass der Junge furchtbare Angst
hatte, wie er seine Finger förmlich in den Stuhl vergrub, da bekam ich Mitleid
mit ihm und dann versuchte ich, die ganze Prüfungsart meines Kollegen anders zu
gestalten und dann gelang es.“
Bei einem Beginn des
Schuljahres verkündete Pater Pauels immer seinen Schülern, dass nicht er der
Direktor der Schule sei, sondern von jetzt an sei die Gottesmutter die
„Direktorin des Overbacher Gymnasiums“. Weiterhin berichtete P. Pauels: „Meine
Schüler wussten, dass ich keine Ringe an den Fingern duldete, ich habe sie immer
eingesammelt (Taubenringe, Verlobungsringe und was da sonst noch war). Ich habe
immer alle in meiner Schublade gehabt und die Schüler konnten sie zu Beginn der
Ferien bei mir abholen. Einmal kam einer und sagte zu mir: „Ich habe eine
Freundin.“ Ich sagte: „Weiter im Text, was hast du zu sagen?“ Da wiederholte er:
„Ich habe eine Freundin.“ „Hör mal“, sagte ich zu ihm, „das habe ich nicht
gehört. Wenn ich es höre, bin ich von der Regierung verpflichtet, die
Verantwortung zu übernehmen, selbst in den Ferien, wohin er geht und was er tut,
darum höre ich es nicht.“ Auch kam einmal ein Schüler und sagte zu mir: „Da
steht die Braut von Elmar.“ Und ich habe nicht hingehört sondern Elmar gefragt:
„Wann machst du dein Abitur?“ - Der Klassenlehrer kam zu mir und sagte besorgt:
„Gehen sie zu Elmar, der hat Liebespein!“ Ich ging zu Elmar, der ganz geknickt
am Tisch saß, und sagte zu ihm: „Nimm mal deine Trompete und geh in den Wald.
Dort trompetest du aus Leibeskräften, oder geh in die Mansarde, da kannst du
dich austoben, wie du willst, und dann bist du besänftigt!“ Er machte dann sein
Abitur und danach stellte er mir seine Braut vor. „Sie sind also die Braut von
Elmar, ich erkläre mich bereit, die Trauung zu übernehmen!“ So sprach ich zu
beiden.
Vielen Schülern hat Pater
Pauels zum Abitur verholten, wenn sie von anderen Schulen als nicht geeignet
weggeschickt wurden. Er nahm sie alle auf und sorgte dafür, dass diesen
schwachen Schülern von freiwilligen Helfern seines Gymnasiums Nachhilfe erteilt
wurde.
Besonderen Wert legte er
darauf, dass immer eine „Garde“ vor dem Allerheiligsten Anbetung hielt, damit
alle durch die Abiturprüfung kamen. „Man kann diesen jungen Menschen doch nicht
den Weg fürs Leben verbauen“, meinte er.
Wenn wir auf unseren
Wallfahrten unser Quartier erreicht hatten, und wir mit der Zimmeraufteilung
begannen, war sein erster Weg immer zur Hauskapelle und dort zum
Allerheiligsten. Ihm galt sein erster Gruß.
Bei seinen Vorträgen auf
den Pilgerfahrten durch Frankreich, Spanien, Portugal und Italien waren wir
jedes Mal erneut erstaunt über seine ausgezeichneten, bis ins Detail gehenden
Geschichtskenntnisse. Er schilderte Ereignisse und Geschehnisse aus früheren
Jahrhunderten nicht nur mit der Jahresangabe, sondern oft sogar mit exakten
Tagesdaten. Was er nicht alles wusste!
Überhaupt war seine große
Stärke, aufzuzeigen, wie die Strategie des Himmels ins politische Weltgeschehen
einwirkt. Politik interessierte ihn sehr. - Als ich ihn einmal voller Staunen
fragte: „Wo holen sie bloß all das Wissen her?“ antwortete er mit abwehrender
Geste: „Ach, das macht nur ihr Gebet.“ Die Pilger nannten ihn 'das wandelnde
Lexikon'. Im Heiligen Land wurden wir einmal von einer intelligenten, aber
streng jüdischen „guide“ geführt. Sie war unserer katholischen Religion
gegenüber gleichgültig, eher ablehnend. Aber die Predigt und die Vorträge von
Pater Pauels ließ sie sich nicht entgehen. Während der hl. Messen stand sie
irgendwo hinten in der Kirche und hörte fasziniert zu, bis sie dann nach der
Predigt verschwand. Als wir in Jerusalem Yad Vashem, die Gedenkstätte der im KZ
ermordeten Juden verließen, war allerseits betroffenes Schweigen. Pater Pauels
fand hier die rechten Worte als er zur jüdischen Führerin sagte: „Was muss Gott
dieses Volk geliebt haben, dass er ihm solch schweres Leid auflud!“
Vieles wäre noch über ihn
zu berichten. Ich habe eine ganze Reihe seiner Vorträge während Pilgerfahrten
und Exerzitien auf Kassetten aufgenommen und höre sie mir oft und gerne wieder
an. So lebt er weiter unter uns. Man kann ihn nicht vergessen.
Seine Worte und Weisungen
begleiten uns noch nach seinem Ableben.
Einem solch heiligmäßigen
Priester begegnet zu sein und ihn öfter und länger unter uns gehabt zu haben,
ist eine große Gnade, die zu tiefsten Dank verpflichtet. Jedes Mal, wenn ich auf
sein Bild schaue, das in meinem Zimmer hängt, freue ich mich, dass wir so viel
Wunderbares mit ihm erleben durften. Er wird uns oben ein großer Fürsprecher
sein, das ist tröstend!
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