Herr Claus Schröder,
ehemaliger Schulsprecher in Haus Overbach,
erinnert sich
Pater Dr. Pauels als
Lehrer und Vertrauter
Vorbemerkung
Um es gleich
vorwegzunehmen, gerne bin ich dem spontanen Wunsche des Autors gefolgt, einige
Gedanken zu Pater Dr. Pauels aus meiner Sicht zu formulieren, - doch muss ich
gestehen, dass dieses bei intensiver Beschäftigung mit dem Thema immer
schwieriger wurde.
Dies hat mannigfache
Gründe:
1. Die Sichtweise des
Schülers liegt zwischen 25 Jahre und 30 Jahre zurück und Vieles ist vergessen.
Zudem wurde in 9-jähriger Schülerzeit die Person Pater Pauels immer
differenzierter gesehen.
2. Die Kontakte ab 1974
(Abiturjahr, Anm. d. Verf.) waren sporadisch, - aber eng -, geprägt von dem
Gefühl, sich auf jemanden verlassen zu können: freundschaftlich.
Die Jahre als Schüler
in Haus Overbach
Die ersten Schuljahre ab
1966 in Haus Overbach wurde Pater Pauels von uns „Kleinen“ als der über allem
schwebende Direktor empfunden, dem wir uneingeschränkten Respekt zollten.
Einziger Berührungspunkt mit ihm war die wöchentliche Schulmesse, die er
grundsätzlich selbst zelebrierte, häufig von mir als Messdiener und Lektor
begleitet, und die immer mit einer Marienanbetung endete. Er war Direktor der
Schule, Lehrer der höheren Klassen und für mich: Respektperson.
Intensiver lernte ich „P.
Pauels“, wie wir Schüler zu sagen pflegten, kennen, als er in der Obertertia den
Französischunterricht übernahm. Die Behauptung, dass er in Spitzenzeiten in
einer Stunde bis zu sieben Klassen unterrichten konnte, kann ich nur bestätigen,
aber auch, dass der durch sieben geteilte Unterricht trotz allem gut,
pädagogisch wertvoll und bis auf den heutigen Tag nachhaltig gewesen ist. Er war
durch und durch Lehrer und kannte uns Schüler mit all unseren guten und
schlechten Seiten manchmal besser, als wir uns selbst kannten. Auffallend war
auch, dass er alle seine Schüler namentlich benennen konnten, auch die, die er
noch nie unterrichtet hatte.
Seine Aufgaben als Lehrer
mit dem Ziel der Wissenschaftsvermittlung nahm er sehr ernst, wie ich es im
Laufe der Jahre bis zu meinem Abitur immer mehr feststellen konnte.
Zwischenzeitlich
unterrichtete er uns in Latein, Geschichte, Philosophie, Religion und auch in
Deutsch, und viele von uns genossen seinen ihm eigenen Unterrichtsstiel: eine
klare Linie, konsequent aufbauend, hinterfragend und mit unendlicher Geduld
erklärend. Wer seine Ziele im Unterricht nicht erreicht hatte, der wurde in der
großen Pause oder nach Unterrichtsschluss in den Besprechungsraum des
Sekretariates einbestellt, um bei diesen Gesprächen das Verständnis zu wecken
(heute würde man von Förderunterricht sprechen). Und Pater Pauels förderte alle:
Die starken Schüler hielt er im Zaum und die Schwachen ließ er nicht fallen. Für
ihn gab es keine „hoffnungslosen Fälle“, denn er glaubte bedingungslos an das
Gute im Menschen. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass diese Grundeinstellung
unbedingt richtig war, denn aus den vielen „hoffnungslosen Fällen“ sind
gestandene Männer (Professoren, Doktoren, Behördenleiter, Industriekapitäne
etc.) geworden. Er schenkte niemandem etwas, wie so oft behauptet wurde, jeder
musste seine Leistung bringen, die bei jedem individuell verschieden war. Und
gerade dies war Teil des vielbeschworenen „Overbacher Geistes“, den viele
Beteiligten im Kampf um Pater Pauels Ablösung 1973/74 zwar häufig zitierten,
aber nie wirklich kennen gelernt hatten.
Während meiner
zweijährigen Zeit als Schulsprecher in Haus Overbach lernte ich weitere Facetten
des Direktors Pater Pauels kennen. Er war ein Direktor, der von seinen Schülern
akzeptiert wurde, und der seine Schüler und auch die Schulgremien ernst nahm (zu
meiner zunächst größten Überraschung). Die Schülermitverwaltung war
Ansprechpartner und er legte sich unseren jugendlichen Ideen, geprägt von ersten
zaghaften Versuchen, die Demokratie gegenüber dem System Schule auszuspielen,
nicht quer, sondern vermittelte den Eindruck, uns als ernsthafte
Gesprächspartner anzusehen. So wie er für jeden Schüler ein offenes Ohr hatte,
so hatte er es auch für den Schulsprecher und die Schülermitverwaltung. Diese
Akzeptanz machte uns oft stolz, aber auch beschämend. Eine andere Facette von
Pater Pauels musste ich 1973/74 kennen lernen, - mein Abiturjahr und
gleichzeitig das Jahr, der durch die Ordensleitung unglücklich inszenierten
Abdankung von Pater Pauels als Direktor. Die Schule hat, - bis auf wenige
Ausnahmen - für Pater Pauels gekämpft. Eltern, Lehrer und Schüler zogen an einem
Strang, zunächst bei vielen Gesprächen, Diskussionen bis hin zum Schulstreik.
Selbst heute noch undenkbar: Haus Overbach wurde vier Tage von Schülern und
Lehrern bestreikt. Man war anwesend, aber man boykottierte den Unterricht, um
für Pater Pauels zu kämpfen. Aber gerade er war es, der diesen Schulstreik zu
Ende brachte, indem er uns inständig bat, in seinem Interesse den Streik
aufzugeben. Ich glaube heute noch, dass von der Ordensseite die Problematik
falsch gesehen wurde: Sicherlich muss ein 67-jähriger Schulleiter, auch wenn er
Leiter einer Privatschule ist, irgendwann sein Amt aufgeben, das war uns allen
klar, aber die Art des „wie“ rief unsere Wut, unseren Zorn und unsere
Enttäuschung auf den Plan. Und gerade in dieser auch für Pater Pauels
schwierigen Zeit habe ich einen Wesenszug nicht verstehen können: sein
unbedingter Gehorsam gegenüber dem Orden. Er nahm alle Demütigungen des Ordens
an, setzte sich nie zur Wehr und unterwarf sich letztlich dem Gehorsamsgelübde.
Wir alle hatten für ihn gekämpft, aber den Kampf verloren, weil er es so wollte.
Leider ging aber nicht nur dieser Kampf verloren, sondern für viele damit auch
der „Overbacher Geist“, der eng verbunden war mit den Namen: Pater Pauels, Pater
Lux, Pater Spelthahn, Frau Zurhorst u.v.m. Unvergessen bleiben die von Schülern,
Lehrern und Eltern inszenierten großartigen Abschiedsveranstaltungen für Pater
Pauels (Fackelzug um Overbach, etc.).
1974- 1992
Nach dem Abitur lernte ich
einen neuen Pater Pauels kennen, - nicht den Lehrer, sondern den Reisenden, den
Vertrauten so manchen Industriekapitäns und so mancher Politgröße, den Redner,
den Leiter von Pilgergruppen, den Exerzitienmeister, den Beichtvater und den
jederzeit hilfsbereiten Freund.
Oft rief er an, mit der
Bitte, von mir zu Veranstaltungen gefahren zu werden. Diese stundenlangen
Autofahrten werde ich nie vergessen, denn bei diesen intensiven Gesprächen habe
ich erfahren dürfen, dass man in der Schule nicht alles lernt. Diese langen,
intensiven Gespräche haben mich erwachsen werden lassen, geprägt von der
Lebenserfahrung, der Weitsicht, der Gelassenheit und der Demut, die Pater Pauels
vermittelt hat. Ich war froh und dankbar für jedes Gespräch mit ihm, für seine
Güte, für sein Verständnis, für sein grenzenloses Gottvertrauen. Und ich war
überrascht über seine grenzenlosen Kontakte zu religiösen und politischen
Gruppen, die er geistig betreute, zu hohen Politikern, zu Wirtschaftsführern,
Kirchenoberen. So ging er nicht nur bei Bischöfen und Kardinälen im In- und
Ausland ein und aus, auch im Vatikan war er bekannt wie ein „bunter Hund“ und
oft wurde er von diesen Institutionen als Berater berufen. Seine Erzählungen und
Erlebnisse mit ihm zeigten sehr bald, dass er neben dem Schulleben all die Jahre
dieses gerade geschilderte Leben geführt hatte, - eine unsagbare geistige,
körperliche und auch zeitliche Leistung. So wurde für mich aus dem Lehrer Pater
Dr. Pauels der vielfach gefragte, geistliche Berater und väterliche Freund Pater
Pauels. Er war in jeder Situation, wenn man ihn rief, zur Stelle.
Als 1988 unser Sohn
getauft werden sollte und der Tauftermin aufgrund von Differenzen mit der
Jülicher Pfarrei kurzfristig, trotz geladener Gäste, in Gefahr geriet, musste
ich stundenlang telefonieren, um Pater Pauels zu finden. Ich holte ihn jedoch
auf Karnevalssonntag aus den Exerzitien mit der Zusage, dass er einige Tage
später unseren Sohn in der Barmener Pfarrkirche taufen würde.
Regelmäßige Kontakte mit
nächtelangen Gesprächen zwischen Pater Pauels und meinen Eltern waren eine
Institution geworden, und so war es selbstverständlich, dass Pater Pauels der
ganzen Familie beim Tod meines Vaters, der jahrelang
Schulpflegschaftsvorsitzender im Haus Overbach war, als priesterlicher Freund
zur Seite stand. Die Kontakte blieben bestehen, und noch einige Tage vor dem Tod
von Pater Pauels war er bei meiner Mutter zu Gast. Als ich ihn nach Overbach
zurückfuhr, erzählte er mir von geplanten Reisen, rastlos und unermüdlich wie
immer.
Um so betroffener war ich
von der Todesnachricht; denn er wirkte selbst im hohen Alter wie das sprühende
Leben. Einige Tage vor seinem Ableben habe ich ihn nochmals (letztmalig)
referieren hören: ein umfassendes, zeitgeschichtliches, religiöses Thema: ohne
schriftliches Konzept, klar gegliedert; Referatsdauer ca. 2 Stunden.
Ich bin unendlich dankbar,
eine so lange Zeit des Weges mit Pater Pauels gegangen sein zu dürfen: als
Lehrer, als Vertrauter, als Priester und als väterlicher Freund und diese
grenzenlosen Facetten des für mich „heiligmäßigen“ Mannes kennen gelernt haben
zu dürfen.
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