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St Josefs mächtiger Anwalt
Woher mag wohl Franz von
Sales seine Begeisterung für den stillen Mann von Nazareth haben? Zweifellos hat
ihn die große Theresia von Spanien mitgerissen. Denn diese Frau kennt in ihrer
Verehrung für den Nährvater des Herrn fast keine Grenzen. Ihm unterstellt sie
ihr erstes Kloster und rühmt ihm nach, — was nach ihr William getan hat — dass
sie nie vergeblich St. Josef angerufen habe.
Doch im tiefsten Grunde
stammt die große Sympathie, die Franz von Sales für St. Josef zeigte, aus der
Welt seines Strebens und Wollens. In dem Nährvater Jesu sah er sein eigenes
Ideal verwirklicht. Ihn ehrte er als den Helden des Glaubens. Ohne Zögern sprach
Josef sein Ja zu der Botschaft des Engels, der ihm in seinen Träumen erschien,
zu der unscheinbaren Menschlichkeit, in die der Herr sich hüllte. Ihn pries
Franz von Sales als den Helden des Vertrauens. In bewundernswertem Gleichmut und
in kritikloser Unterwerfung machte sich Josef auf den Weg nach Ägypten. Ihn
verherrlicht Franz als den Helden der Liebe und Reinheit. Nie ließ Josef auf
seine Braut einen Schatten der Eifersucht und des Zweifels fallen. Franz sah in
ihm die dreifache Herrlichkeit der völligen Loslösung von dem Irdischen in
Armut, Jungfräulichkeit und Gehorsam am schönsten aufleuchten und wusste darum
seinen Heimsuchungsschwestern kein anziehenderes und kräftigeres Beispiel des
Ordenslebens vorzustellen als den Gemahl der Gottesmutter. Doch am höchsten
erschien ihm Josef als der Gotteswanderer auf den Alltagswegen unseres Lebens.
Schweigend erfüllt Josef seine Pflicht als Zimmermann. Denn kein Wort hat die
Heilige Schrift von ihm aufgezeichnet. In treuer Sorge schaffte er im Schweiße
seines Angesichtes als Haupt der kleinen Familie in Nazareth. Keine Wunder weiß
das Evangelium zu berichten: nur das kostbare Wunder einer schlichten
Pflichterfüllung und gläubigen Annahme der göttlichen Fügungen.
Groß ist darum St. Josef,
gemessen mit dem Maße des Charakters. Größer wird er jedoch, sobald man ihn
misst mit dem Maße Gottes selbst. Gott ehrte keinen Mann so hoch; denn Josef
allein wurde irdischer Stellvertreter des allmächtigen Vaters, so, dass selbst
die Engel ihn beneiden.
Christus nannte keinen
Erdgeborenen Vater, nur Josef, den Sohn Davids. Der Heilige Geist nahm nicht
Josue, den Helden des alten Israels, zum Schützer des menschgewordenen
Gottessohnes, sondern den demütig-schlichten Zimmermann von Nazareth.
Mit Maria lebte er in einer
Gnadengemeinschaft. Ein Austausch des Gotteslichtes und der Gotteskraft, der
Geheimnisse und Ideale, aber auch der Kämpfe und Siege war ihnen geschenkt. Ja,
Franz meint noch sagen zu müssen, dass Jesus seiner Mutter zuliebe Josef Vater
nannte und dass nur durch Marias Vermittlung Josef eine solche Lichtfülle seiner
makellosen Lauterkeit empfing, dass er selbst die Engel Gottes überragte. So
folgert Franz von Sales knapp, aber klar: Wie Maria durch ihr göttliches Kind an
Weisheit und Gottähnlichkeit wuchs, so Josef durch seine Braut.
Eines jedoch fällt bei
Franz von Sales auf. Heute ist für uns Josef der mächtige soziale Anwalt, der
allmächtige Arm der Caritas, Er sorgt für das tägliche Brot, zimmert Tisch und
Stuhl, Schrank und Dach, hilft in den tausend Nöten und Verlegenheiten des
Alltags. Wir erfahren in tiefer Dankbarkeit täglich die Verheißung der großen
Theresia: Gott hat Josef die Macht gegeben, nicht nur in einem, sondern in allen
Anliegen Erhörung zu gewähren. Doch Franz erwähnt mit keinem Worte die soziale
Wundermacht des Nährvaters Jesu. Umso mehr rühmt er ihn als Vorbild und sogar
als Führer auf dem Wege in die geheimnisvolle Herzenswelt seines Pflegesohnes
und seiner Gottesbraut. Für Franz ist St. Josef ganz der Mann der Welt
göttlichen Glaubens, noch mehr des göttlichen Liebens. Darum ist er auch fest
überzeugt, dass Josef nicht nur mit seiner Seele, sondern auch mit seinem Leibe
in den Himmel aufgenommen ist, umso mehr, als er mit dieser Lehre in seiner Zeit
keinen Widerspruch fand. So glaubt er auch, dass das Geheimnis des Gottessohnes
mit seiner Mutter am besten erfasst und geehrt werden könne durch die Verehrung
des hl. Josef.
St. Josef, in langen
Jahrhunderten unbekannt und vergessen, fand so in dem gütigen und
gottbegeisterten Bischof von Genf einen mächtigen Anwalt. Das erste Kloster, das
Franz von Sales für seine Heimsuchungs-Schwestern erbaute, kam in die Hände der
Josefsschwestern, der Papst, der ihn zum Schutzpatron der Kirche ausrief, erhob
Franz von Sales zum Kirchenlehrer.
März 1950
Pius X. gab sterbend der
Kirche sein Vermächtnis. Es war das Rosenkranzgebet. „Gedenket meiner, wenn ihr
die allerseligste Jungfrau anruft,“ bat er noch mit erkaltenden Lippen. Pius XI.
nannte den Rosenkranz die letzte Waffe im Kampfe gegen den atheistischen
Kommunismus und rief seiner Umgebung zu: „Sagt meinen Priestern: Der Papst geht
nie zur Ruhe, bevor er nicht seinen Rosenkranz gebetet hat.“ Als das kostbarste
Geschenk, das er in seinem Pontifikate erhalten hatte, betrachtete er den
Rosenkranz des hl. Pfarrers von Ars.
In unserer Zeit ist das
Rosenkranzgebet vor allem durch die Ereignisse von Fatima stark aufgeblüht. Es
zeugt von einem tiefen Verständnis für dieses Gebet, dass man keine Mühe scheut,
diese Gebetsweise vor Eintönigkeit und Oberflächlichkeit zu bewahren.
Schon der hl. Franz von
Sales hatte aus diesem Bestreben heraus für eigenen Gebrauch, wie auch für die
seelischen Bedürfnisse seiner Beichtkinder zwei Methoden ausgearbeitet.
In einer Anleitung, die er
in einem Briefe von der Vigil der Himmelfahrt Mariens gab, legt er den vollen
Nachdruck auf die Betrachtung, die dem Rosenkranzgebet eigen ist. „Denke an das
Geheimnis in dem Maße, wie es Dir möglich ist, erinnere Dich an den Vorsatz, den
Du gefasst hast, sprich aber vor allem die heiligen Namen Jesus und Maria mit
größter Ehrfurcht des Herzens aus. Wenn Dir Gefühle und fromme Regungen
aufsteigen, verweile bei ihnen, so lange Du kannst. Lass sie bei der Betrachtung
während des ganzen Rosenkranzgebetes schwingen. Vor allem danke Gott aus ganzem
Kerzen für diese Gnade, dass Du den Rosenkranz beten darfst. Verrichte dieses
Gebet ganz zur Ehre Gottes, zum Heile seiner Kirche, aus deren Schoß Du geboren
wurdest, in der Meinung, dass Gott alle zu ihr zurückführen möge. Bevor Du
anfängst, grüße Maria als die Tochter des Vaters, die Ihm am teuersten war, als
die Mutter des Sohnes, die Seine größte Liebe erwarb, als die Braut des Heiligen
Geistes, die in größter Vereinigung mit Ihm lebt. Am Schlusse opfere Dein
Gedächtnis dem himmlischen Vater auf, um stets Seiner Erbarmungen eingedenk zu
sein. Deinen Verstand dem Sohne, um nie Seine Leiden und Sein Sterben zu
vergessen, Deinen Willen dem Heiligen Geiste, um ihn mit göttlichem Geiste
erfüllen zu lassen.“
Die zweite Methode,
die er am Michaelsfeste des Jahres 1608 vorschlug, entsprang aus seiner ganz
tief liturgischen Art. Das Rosenkranzgebet betrachtete er als einen Psalter, der
wie das Brevier eingeleitet und beschlossen werden sollte. Er begann dann seinen
Rosenkranz mit den Worten: „Herr, merk auf meine Rufe, Herr, eile mir zu helfen.
Ehre sei dem Vater usw.“ Er erweckte das große Verlangen, dieses Gebet zur
Verherrlichung des dreifaltigen Gottes zu verrichten, und sang den Hymnus
„Gedenke meines Heiles Quell.“ betete den Versikel „Mache mich würdig, Dich,
heilige Jungfrau, zu preisen“.
So ist es zu verstehen,
dass er das Rosenkranzgebet sogar in den Rahmen des heiligen Messopfers spannte.
Die Geheimnisse dieses Gebetes glich er vollkommen der heiligen Handlung an,
ließ die Lesungen und den Hauptteil der heiligen Messe vom Rosenkranzgebet
organisch umrahmt und durchdrungen werden.
Wie sehr Franz von Sales
auch von Arbeit überhäuft war, nie unterließ er es, sogar den ganzen Rosenkranz
mit allen Geheimnissen zu beten. Dazu hatte er sich in schwerer seelischer Not
vor dem Bilde der wundertätigen Madonna in Paris durch ein Gelübde verpflichtet.
Leicht ist es ihm nicht gefallen, wie er später bezeugt, aber die Erfüllung
dieses Gelübdes war für ihn und sein Werk ein unschätzbarer Segen. Er selbst
wünschte stets, dass man den Rosenkranz beschließen soll wie die Betrachtung:
mit einem geistlichen Blumenstrauß, mit den schönsten Gedanken, die das
Rosenkranzgebet geschenkt. Diese sollen unser Werk durchduften, uns zur
Dankbarkeit und zum Vertrauen anspornen.
Viele seiner schönsten
Ideen stammen so sichtbar aus der intensiven Pflege des Rosenkranzgebetes. Wer
darum sein Leben und sein Werk überblickt, muss ihm recht geben, dass es nur
beglückendste Wahrheit war, was er nach jedem Rosenkranzgebet mit dem Psalmisten
sagte: „Servus tuus sum ego et filius ancillae tuae: Herr, ich bin Dein Knecht
und der Sohn Deiner Magd Maria.“
Oktober 1950
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