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Das
letzte Jahrzehnt
In
wenigen Jahren jährt sich das Herz-Jesu-Fest 1899. Eine deutsche Nonne, Maria
vom göttlichen Herzen Jesu, Oberin des Ordens vom Guten Hirten in Porto, erhielt
vom Herrn die deutliche Mahnung, den Heiligen Vater zu bitten, Seinem Herzen das
kommende 20. Jahrhundert zu weihen. Leo XIII. tat es und betrachtete diese Tat
als die größte seines 25jährigen Pontifikates.
Warum
wollte es der Herr? Zweifellos, um den eingeschlagenen Heilsweg fortzusetzen.
Darum beruft sich unser Papst oft auf das Wort Jesu an Nikodemus: „So sehr hat
Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit jeder, der
an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat." (Joh 3,16)
So
gilt einerseits das Wort dieser Liebe: „Wen ich liebe, den weise ich zurecht und
nehme ihn in Zucht." (Offb 3,19) Andererseits hat der Herr Petrus darauf
aufmerksam gemacht: „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie
Weizen siebe."
So
sehen wir, dass dieses Jahrhundert zwei große Aufgaben zu bewältigen hatte: die
Erprobung des Glaubens und die Auseinandersetzung mit den Unheilsmächten.
Das
neunzehnte Jahrhundert war wie eine Verlängerung der französischen Revolution,
die den offenen Kampf gegen den Glauben eingeleitet hatte. Der Atheismus eines
Feuerbach, der Liberalismus der Großlogen, der Materialismus der
Naturwissenschaften, insbesondere Haeckels, das Erwachen des militanten
Marxismus, die Beseitigung des Kirchenstaates und nicht zuletzt das erbitterte
Ringen des Kulturkampfes um die Freiheit des katholischen Glaubens in den
verschiedenen Ländern: eine unheimliche Liste, die auf das Wort von Voltaire
hinzielte: „Rottet die Unverschämte (die Kirche) aus." In Nietzsche fand das
neunzehnte Jahrhundert seinen wortgewaltigen Propheten. So hatte unsere Zeit ein
bitteres Erbe. Rückblickend müssen wir sagen, dass das Pontifikat Pius X. ein
Glaubensfundament gebildet hat, das die Kirche befähigte, nicht nur die
Wirkungen des vorigen Jahrhunderts aufzufangen, sondern sich neuen
Herausforderungen zu stellen. Johannes Paul II. hat sie anlässlich seines Prager
Besuches zusammengefasst: Nationalsozialismus, Marxismus, Kolonialismus,
Kapitalismus, Strukturalismus, Existentialismus, Freudianismus.
Wer
hätte je gedacht, dass wir jetzt vor einem ungeheuren Scheiterhaufen stehen? Wir
waren wie die Frauen, die zum Grabe gingen, um den Herrn zu salben, allerdings
mit der ängstlichen Frage: Wer wird uns den Stein vom Grabe wälzen?
Und
der Stein war weggewälzt!
So,
meinte der Papst in Prag, hatten wir auch keine Hoffnung, den Stein, der Ost und
West voneinander scheidet, wegzuheben. Aber was ist geschehen? Nach Kalvaria kam
unerwartet das Ostern der Befreiung der Völker. Mit Recht konnte er darauf
hinweisen, wieviel gebetet und geblutet wurde, um diesen Tag zu erleben.
Bisher
hat er sich als Pilger des Glaubens bezeichnet, der durch die Welt zieht, um das
Evangelium zu verkünden, jetzt aber nicht mehr; er ist der Herold des Glaubens,
der die Erfüllung des 1. Briefes des hl. Johannes bestätigt: „Das ist der Sieg,
der die Welt überwindet: unser Glaube." (1, Joh 5,4)
Was
unser Jahrhundert aufzuweisen hat, legte Pius XII. als Antwort auf den Ausruf
des Kardinals Saliège von Toulouse dar: „Hätten wir doch die ersten drei
Jahrhunderte, dann wüsste die Welt, dass das Christentum Liebe ist!" Darauf der
Papst: „Bedenke, mein Sohn: Bis zum Jahre 1917 hatte die Kirche viele Märtyrer,
aber schon in 30 Jahren hatte sie mehr Märtyrer als in allen Jahrhunderten
vorher. Und die Liebe? Weißt du, wieviel die Kirche den von Hunger bedrohten
Ländern gegeben hat? Mehr als die Vereinigten Staaten!" Daran hat sich bis jetzt
wenig geändert, wenn wir an den Osten und die Dritte Welt denken, die jetzt
Zeugen eines ungeheuren Aufbruchs des Glaubens sind.
Das
sind nur einige Gedanken über die Frage, ob die Weihe sich gelohnt hat,
bestätigt durch das Wort des Papstes: „Die eigentlichen Träger der großen,
ungeahnten Veränderungen dieser Zeit sind die Kirchen und die von ihr
inspirierte Jugend."
Allerdings wies er am 5. Januar darauf hin, dass Maria mütterlich zu ihrem
Auftrag stand: „Frau, sieh da deinen Sohn!" (Joh 19,26) So vertraute er auch das
letzte Jahrzehnt ihrer mütterlichen Sorge an. Im Auftrage des durchbohrten
Herzens ihres Sohnes hat sie auch Ihr Herz für ihre Söhne und Töchter geöffnet.
Von:
P. DDr. Hubert Pauels OSFS
Aus
Die Ehrenwache, Heft 1, 53. Jg. 1991
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